Häufig gestellte Fragen und Antworten / FAQ

Dr. M. Überall: Die gute Nachricht ist, dass trotz der zahlreichen Berichte über Probleme mit der Bereitstellung von Medikamenten die Anzahl der echten Lieferengpässe unverändert gering ist. Dennoch gilt auch hier: Vorsorge ist besser als Nachsorge. Aus diesem Grund sollten sie sich rechtzeitig (d.h. aktuell deutlich früher als sonst) um „Nachschub“ und ein entsprechendes Rezept von Ihrem behandelnden Arzt bemühen. In der Apotheke können Sie jederzeit Auskunft über die aktuelle Lieferfähigkeit einzelner Arzneimittel erfragen und – für den Fall der Fälle – einen u.U. notwendig werdenden Präparatewechsel mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen. Gleichzeitig sollten Sie den Lieferengpass an das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM – melden (z.B. via EMail an: lieferengpaesse@bfarm.de).
Dr. M. Überall: Obwohl Hanf die wahrscheinlich wertvollste Nutzpflanze überhaupt ist und als Ausgangsprodukt für die medizinische Anwendung von Cannabis schon seit tausenden von Jahren zum Vorteil vieler Patienten mit ansonsten therapieschwierigen und anderweitig nicht oder nur unzureichend zu behandelnden schwerwiegenden Erkrankungen unterschiedlichster Natur genutzt wird, ist der schulmedizinische Einsatz in den Industrienationen der westlichen Welt überschaubar. Grund hierfür sind neben den für die meisten sinnvollen Indikationen fehlenden Zulassungen vor allem auch irrationale Ängste vor Cannabis als möglicher sog. Einstiegsdroge. Dabei wird übersehen, dass die medizinische Anwendung von Cannabis bei Erwachsenen – insbesondere in der von Ihnen angesprochenen Form des Mundsprays – zu den sichersten Behandlungsformen überhaupt gehört und gerade im Vergleich zu den zahlreichen anderen in Deutschland zugelassenen Alternativen meist sehr viel besser vertragen wird und kein Risiko schwerwiegender/bleibender Nebenwirkungen birgt. Da dieses Wissen aber (noch) nicht Teil der medizinischen Ausbildung oder des therapeutischen Grundwissens ist, für viele Indikationen aussagekräftige Studien und arzneimittelrechtliche Zulassungen fehlen und zu guter Letzt die medizinische Verordnung von Cannabis ja auch noch gegen die Vorurteile des unkontrollierten Freizeitkonsums ankämpfen muss, wird es wohl noch etwas dauern, bis Cannabis als echte Therapieoption in Deutschland Fuß gefasst hat.
Dr. M. Überall: Prüfen Sie regelmäßig Ihren Bestand an Schmerzmitteln und warten Sie nicht bis diese zur Neige gehen, sondern nehmen Sie rechtzeitig Kontakt mit Ihrem behandelnden Arzt auf. Wenn Sie nicht selbst in die Praxis gehen können oder (aktuell angesichts der Kontaktbeschränkungen) wollen, klären Sie telefonisch, ob Ihnen oder Ihrer Stammapotheke das Rezept (auf dem Postweg oder via Fax) zugeschickt werden kann. In den allermeisten Fällen lässt sich hier gemeinsam eine Lösung finden.
Dr. M. Überall: Aufgrund seiner modulierenden Wirkung kann Cannabis als Medizin eine Vielzahl verschiedenster Gesundheitsprobleme lindern. Dabei reicht das Spektrum der Erkrankungen bei denen Betroffene Cannabis erfolgreich einsetzen von Nervenschmerzen (z.B. infolge einer Gürtelrose oder einer Diabeteserkrankung), Spastik bei Multipler Sklerose, Chemotherapie-bedingter Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit, ausgeprägtem Gewichtsverlust (z.B. im Rahmen einer Tumorerkrankungen oder AIDS), Schmerzen bei Gelenkarthrose oder Tumorerkrankungen, über entzündliche Darmerkrankungen bis hin zu Tic-Störungen (wie z.B. dem Tourette-Syndrom), dem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS), dem Restless-Legs-Syndrom (RLS) und Morbus Parkinson.
Dr. M. Überall: Kreuzschmerzen (d.h. Rückenschmerzen im Lendenbereich), die in den vielen Fällen mitentzündungshemmenden Schmerzmitteln und dem gutgemeinten (aber eigtl. unzutreffenden) Rat behandelt werden schmerzhafte Bewegungen zu vermeiden, werden in vielen Fällen durch Verspannungen der Rückenmuskulatur ausgelöst und unterhalten. Primäres Ziel therapeutischer (Eigen-)Maßnahmen sollte es sein diese Verspannungen zu lösen, was in der Regel nicht durch aktive physiotherapeutische Anspannungsübungen gelingt, sondern vielmehr gezielter Entspannungsübungen bedarf, wie z.B. der sog. postisometrischen Relaxationsübungen (PIR), die jeder Betroffene selbst zuhause ganz einfach durchführen kann. Bei den PIR-Techniken macht man sich zu Nutze, dass ein vorübergehend (z.B. für fünf Atemzüge) isometrisch (d.h. ohne Veranlassung einer Bewegung) angespannter Muskel im Nachgang eine geringere Grundspannung (Tonus) aufweist als zuvor – er also entspannter (und damit besser durchblutet) ist. Durch Wiederholungsübungen (z.B. dreimal täglich fünfmal für jeweils fünf Atemzüge anspannen und anschließend für jeweils fünf Atemzüge entspannen) lässt sich der erzielte Effekt kontinuierlich verstärken, die Schmerzen lindern und mögliche Bewegungseinschränkungen rasch, anhaltend und nebenwirkungsfrei zurückbilden. Anleitungen zum Wie und Wo dieser Eigenübungen finden sich z.B. im Internet.
Dr. M. Überall: Die genannten Symptome lassen durchaus an das Vorliegen einer sog. Neuropathie denken, bei der es (mitunter nicht in jedem Fall vollumfänglich erklärbar warum) zu einer Nervenschädigung gekommen ist, die mit Störungen der motorischen Funktion (z.B. Bewegungseinschränkungen, Kraftmangel, Reflexverlust, etc.) und/oder Gefühlsstörungen (Kribbeln, Brennen, Stechen, blitzartig einschießende Schmerzen, etc.) kommen kann. Da die Gefühlsstörungen ihren Ursprung in einer Übererregbarkeit der geschädigten Nervenfasern haben, werden zur Behandlung Medikamente empfohlen, die entweder das überschießende neuronale Erregungsniveau dämpfen können oder aber die Weiterleitung der schmerzhaften Nervensignale im Bereich des Rückenmarks hemmen. Während Medikamente der erstgenannten Gruppe häufig auch zur Epilepsiebehandlung eingesetzt werden, kommen für den zweiten Wirkansatz bestimmte Medikamente in Frage, die sonst auch bei Depression eingesetzt werden. Das Spektrum der möglicherweise durch die Einnahme dieser Arzneimittel ausgelösten Nebenwirkungen ist naturgemäß breit (und die Abschnitte in den zugehörigen Patienteninformationen auch entsprechend lang), jedoch darf nicht vergessen werden, dass bei allen empfohlenen Alternativen das Nutzen-Risiko-Profil positiv ist, die Wirkungen in großen Zulassungsstudien bestätigt werden konnten und die aufgeführten Nebenwirkungen selten und dann auch meist vorübergehend und selbstlimitierend sind. Alternativ kommen bei räumlich umschriebenen Nervenscherzen auch sog. topische, d.h. lokale Verfahren in Betracht, bei denen das Medikament (z.B. in Form eines wattierten und mit einem Lokalanästhetikum benetzten Pflasters) über Nacht auf die betroffene Region aufgebracht wird und die naturgemäß (durch die fehlende Wirkstoffaufnahme in den Organismus) sehr viel weniger Nebenwirkungen auslösen, als die in Tabletten- oder Kapselform geschluckten Alternativen.
Dr. M. Überall: Seit dem 10. März 2017 besteht in Deutschland die Möglichkeit Cannabis als Medizin Patienten ärztlicherseits dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen zu verschreiben, wenn diese a) unter einer sog. schwerwiegenden Erkrankung leiden (die laut Sozialgesetzbuch V z.B. dann vorliegen kann, wenn nach ärztlicher Einschätzung eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Behandlungspflege, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln) erforderlich ist, ohne die eine lebensbedrohliche Verschlimmerung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität zu erwarten ist), b) allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Leistung entweder nicht zu Verfügung stehen, oder im jeweiligen Einzelfall, unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes nicht zur Anwendung kommen können und c) eine nicht ganz entfernt liegende (und zu begründende) Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. In Ihrem Fall wäre also zu prüfen, ob Sie bzw. Ihre Beschwerden diesen gesetzlichen Vorgaben entsprechen, oder nicht. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so kann ein entsprechender Antrag auf Kostenübernahme bei Ihrer Krankenkasse gestellt und nach dessen Bewilligung eine ärztliche Verordnung erfolgen. Bzgl. der Auswahl der am besten geeigneten Form von Cannabis als Medizin gilt es verschieden Faktoren zu berücksichtigen. Die Deutsche Schmerzliga empfiehlt nach Abwägung aller Vor- und Nachteile eine 1:1-Kombination von THC und CBD in Form eines zugelassenen Fertigarzneimittels als Mittel der ersten Wahl. Diese Darreichungsform hat den Vorteil, dass die bestwirksame und verträgliche Dosis individuell schrittweise vom Patienten selbst ermittelt und die Risiken der vom Freizeitkonsum (gerauchten Cannabis) bekannten und gefürchteten Nebenwirkungen (Abhängigkeit, High-Gefühl und paranoide Wahnvorstellungen, etc.) minimiert werden können.
Dr. M. Überall: Mit der Änderungen der gesetzlichen Voraussetzungen zur ärztlichen Verschreibung von Cannabis als Medizin verbunden ist das vollumfängliche Verbot des Eigenanbaus von Cannabis – auch wenn dieser zum Zweck einer medizinischen (Eigen-)Anwendung erfolgt. Ihr Vater sollte mit seinem Hausarzt klären, ob für ihn grundsätzlich eine Therapie mit Cannabis als Medizin in Frage kommen könnte und ob der Hausarzt selbst (was rechtlich jederzeit möglich wäre), oder aber ein zu konsultierender Spezialist (wie z.B. ein Schmerzmediziner) für Antragstellung und Verordnung verantwortlich zeichnet. Die Eigenbehandlung mit getrockneten Cannabisblüten (z.B. durch rauchen oder inhalieren) führt zu sehr hohen und binnen kurzer Zeit erreichten Blutkonzentrationen die – gerade bei unerfahrenen Cannabiskonsumenten - mit schwerwiegenden Bewusstseins-, Wahrnehmungs- und Persönlichkeitsveränderungen einhergehen können und in vielen Fällen nicht dazu führen, dass Betroffene nicht den erhofften Weg zurück in ein beschwerdeärmeres Leben finden, sondern sich unter/durch den Einfluss von gerauchtem/inhaliertem Cannabis als Rauschdroge vielmehr noch weiter aus dem Leben zurück ziehen.
Dr. M. Überall: In Ihrem Fall empfehle ich zunächst einmal die Einholung einer qualifizierten Zweitmeinung durch ein interdisziplinäres Team alternativer Fachspezialisten (z.B. Schmerztherapeut, Physiotherapeut und algesiologischer Psychotherapeut) in Form einer sog. ISK (interdisziplinäre Schmerzkonferenz). Die längerfristige Einnahme entzündungshemmender Wirkstoffe aus der Gruppe der sog. nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) ist – unabhängig vom Ergebnis dieser Zweitmeinung – aufgrund des beträchtlichen Nebenwirkungsrisikos dieser Präparate bzgl. Magen/Darm, Nieren und Herz-Kreislauf in keinem Fall eine sinnvolle Behandlungsoption und sollte durch vergleichbar wirksame, aber nebenwirkungsärmere und sicherere Alternativen – in Verbindung mit geeigneten nichtmedikamentösen Maßnahmen wie z.B. Eigenübungen, postisometrischen Relaxationsübungen (PIR) und Muskel-/Nervenstimulationen – ersetzt werden.
Dr. M. Überall: In den allermeisten Fällen verschwinden akute Schmerzen nach Behandlung der auslösenden Ursachen wieder vollständig und nachhaltig. Immer wieder kommt es jedoch zu sog. chronischen Verlaufsformen, bei denen die Schmerzen – trotz einer effektiven Akutbehandlung der anfänglich ursächlich zugrunde liegenden Gesundheitsproblematik – wiederkehren oder persistieren. Halten diese körperlichen (biologischen) Beschwerden über einen längeren Zeitraum (drei bis sechs Monate) an und nehmen sie zunehmend Einfluss auf seelische und soziale Bereiche des Alltagslebens so spricht man von einer chronischen Schmerzkrankheit bei deren Entstehung das sog. Schmerzgedächtnis und die zunehmende Fokussierung des Individual(er)lebens auf den Schmerz als Zentralelement der Eigenwahrnehmung eine entscheidende Rolle spielen. In diesen Fällen ist die Konsultation eines Schmerztherapeuten sinnvoll und mit diesem zu klären, in welchem Ausmaß noch unimodale (meist körperlich betonte, biologisch fundierte) Therapien hilfreich sind, oder nicht doch besser multimodale interdisziplinäre und ganzheitlich orientierte Therapiekonzepte zum Tragen kommen sollten.
Dr. M. Überall: Die sog. diabetische Polyneuropathie mit ihrem charakteristischen Erscheinungsbild der strumpfförmig symmetrisch aufsteigenden Taubheitsgefühlen in Verbindung mit Dys- und Parästhesien, Berührungsüberempfindlichkeit und einschießenden elektrisierenden Schmerzen ist leider eine häufige Komplikation eines gestörten Insulinstoffwechsels. Leitlinien empfehlen als Mittel der ersten Wahl je nach Ausbreitung entweder eine topische Therapie (bei lokal umschriebenen Beschwerden) oder eine Therapie mit Arzneimitteln, deren Inhaltsstoffe entweder die Übererregbarkeit der durch die Stoffwechselerkrankung geschädigten Nervenfasern senken (z.B. Antiepileptika aus der Gruppe der sog. alpha2-Delta-Modulatoren) oder aber auf Rückenmarksebene die Übertragung der Schmerzimpulse aus den betroffenen Gebieten hin zum Gehirn unterbinden (z.B. trizyklische Antidepressiva oder selektive serotonerge/noradrenerge Wiederaufnahmehemmstoffe) sowie bei deren Versagen Kombinationen der verschiedenen Möglichkeiten. Leider gehören Nervenschmerzen zu den eher therapieschwierigen Formen einer chronischen Schmerzerkrankung, d.h. die durch die medikamentösen Maßnahmen erzielten Wirkeffekte sind überschaubar und die in Kauf zu nehmenden Nebenwirkungen mitunter beträchtlich. Entscheidend ist eine rationale und an den individuellen Bedürfnissen/Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles auszurichtende Therapie, die am besten durch einen qualifizierten Schmerztherapeuten erfolgt.
Dr. M. Überall: Sie beschreiben leider eine Situation, die kein Einzelfall ist. Fälle wie der Ihre – also von Menschen die das Gefühl haben, dass Therapieentscheidungen für/über sie nicht mit dem Ziel getroffen werden das individuelle Leiden durch eine bedürfnisorientierte maßgeschneiderte Therapie zu lindern, sondern eher dem Zweck dienen weltanschauliche Grundprinzipien (wie z.B.: „das Zeug welches ihnen von Kollegen X verordnet wurde taugt rein gar nichts“, etc.), durchzusetzen erreichen uns am Schmerztelefon der Deutschen Schmerzliga regelmäßig. Hier werden auf dem Rücken Betroffener, unter Missachtung fundamentaler Grundsätze einer patientengerechten medizinischen Schmerzversorgung und offensichtlicher Missachtung einfachster pharmakologischer Grundregeln Therapien an- und wieder abgesetzt sowie zwischen verschiedenen Wirkstoffen und Darreichungsformen gewechselt ohne die Betroffenen ausreichend zu informieren und/oder ihnen entsprechend dem Gebot der partizipativen Entscheidungsfindung Gelegenheit zur Mitsprache zu geben. Dabei ist doch gerade angesichts der beschränkten Wirksamkeit schmerztherapeutischer Maßnahmen offensichtlich, dass bislang bzgl. der bestmöglichen Behandlung komplexer multifaktorieller chronischer Schmerzen unterschiedlichster Pathophysiologie weder der Heilige Gral noch der Stein der Weisen gefunden wurden. Jede Therapie bedarf einer individuellen Evaluation, zur Minimierung des Risikos behandlungsbedingter unerwünschter Arzneimittelwirkungen einer bedürfnisorientierten langsamen schrittweisen Dosistitration und zur Gesamtbeurteilung einer ausreichend langen Verlaufsbeobachtung. Wie dies angesichts des von Ihnen beschriebenen Vorgehens auch nur ansatzweise gewährleistet werden soll ist mir ein Rätsel und ich empfehle Ihnen ganz dringend einen ambulant tätigen Scherzmediziner aufzusuchen – wohl wissend, dass auch dies angesichts der geringen Zahl qualifizierter Schmerztherapeuten und des hohen Bedarfs in Deutschland nicht ganz einfach werden wird. Letztlich wird es aber nur auf diesem Weg möglich sein das offensichtliche Kompetenzgerangel der bislang beteiligten Fachärzte zu unterbinden und einen Therapeuten zu finden, der bereit ist mit Ihnen gemeinsam den bestmöglichen schmerzmedizinischen Weg zu gehen.
Dr. M. Überall: Nun zunächst einmal bedauere ich, dass Ihnen seitens der Kollegen aus der Schmerzambulanz einer Universitätsklinik, von denen man ja eigtl. erwarten sollte, dass sie für Betroffene das gesamte interdisziplinäre Spektrum der rational sinnvollen und evidenzbasiert nachgewiesenermaßen wirksamen multimodalen Therapiekonzepte einzusetzen vermögen derart hinters Licht geführt wurden, denn weder wurde in Ihrem Fall wirklich alles rational mögliche an medizinischen sinnvollen Alternativen ausgenutzt (Sie haben Cannabis ja schon selbst ins Spiel gebracht), noch wurde hier offensichtlich verstanden, dass die algesiologische Psychotherapie eine Facette eines interdisziplinären multimodalen schmerztherapeutischen Konzeptes ist und nicht die letzte Option nach Versagen pharmakotherapeutischer Basistherapien. Cannabis als Medizin ist in Ihrem Fall sicherlich eine rationale komplementärmedizinische Maßnahme. Dabei muss Ihnen bewusst sein, dass Cannabis ganz sicher nicht das Wundermittel ist, zu dem es in Presse, Funk und Fernsehen seitens interessierter Kreise gerne gemacht wird. Aber gerade bei Patienten mit anderweitig therapieresistenten, schwerwiegenden und chronischen neuropathischen Schmerzen ist es nicht nur eine aus schmerzmedizinischer Sicht rationale, gesetzlich mögliche und seitens der Krankenversicherungen (nach vorheriger Antragstellung) auch erstattete, sondern bei kombiniertem Einsatz von THC und CBD in Form eines Mundsprays auch evident wirksame medizinische Alternativtherapie zu den gängigen und leitlinienempfohlenen (aber nun eben in Ihrem Fall unwirksamen) Therapien der ersten, zweiten und dritten Wahl.
Dr. M. Überall: Gerade in der aktuellen Zeit stellt sich die Frage nach den möglichen Nebenwirkungsrisiken einer medikamentösen Eigenbehandlung akuter schmerzhafter Beschwerden (wie z.B. Rückenschmerzen) – z.B. mit apothekenpflichtigem Ibuprofen oder Diclofenac. Nachdem initial vor der Verwendung dieser Wirkstoffen im Rahmen der Corona-Pandemie gewarnt wurde (weil sie als Nebeneffekt nicht nur Magen und Darm sowie Nieren und Herz schädigen können, sondern auch eine leichte Schwächung des körpereigenen Immunsystems bewirken), kann zumindest bzgl. letztgenannten Punktes eine gewisse Entwarnung dahingehend gegeben werden, als bislang weltweit keine wirklich belastbaren Hinweise darauf gefunden werden konnten, dass durch diese entzündungshemmenden Schmerzmittel das Risiko an SARS-CoV II manifest zu erkranken erhöht ist.
Dr. M. Überall: Dieses Problem betrifft offensichtlich zahlreiche Tumorpatienten, deren behandelnde Onkologen auch in fortgeschrittenen Stadien die Krebsbehandlung in den Mittelpunkt ihres Wirkens stellen und nicht die Patientenbedürfnisse. Ganz grundsätzlich kann man dazu sagen, dass in den meisten geschilderten Fällen zu spät begonnen wurde sich des Problems zu widmen. Eine bedürfnisorientierte schmerz- und palliativmedizinische Begleitung – gerade mit dem Ziel Betroffenen ein beschwerdearmes Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen Betroffene wie auch Angehörige zu entlasten – ist heute danke der sog. allgemeinen und spezialisierten ambulanten palliativmedizinischer Versorgungskonzepte weitestgehend flächendecken möglich. Allgemein beklagt wurde seitens der Anrufer, dass die onkologischen Betreuer diese wichtige Säule im Versorgungskonzept krebskranker Menschen gar nicht oder erst viel zu spät ins Spiel gebracht haben – ein Problem, dass sich wohl nur durch die völlig unterschiedliche Grundausrichtung des medizinischen Handelns zwischen Onkologie (Kampf gegen den Tumor um jeden Preis) und Palliativmedizin (Sicherstellung der Lebensqualität und der Patientenautonomie bis zum Lebensende) erklären lässt. Betroffene und Angehörige sollten deshalb frühzeitig von sich aus das Gespräch suchen und nach entsprechenden Hilfsangeboten fragen.
Dr. M. Überall: Akute und akut rezidivierende Kreuz-/Rückenschmerzen sind häufig und viele Betroffene haben Angst davor, dass sie bei oder nach einem akuten Ereignis chronisch Probleme entwickeln. Hier kann insofern grundsätzlich Entwarnung gegeben werden als, nur bei ca. 10% der von akuten und wiederholt akut rezidivierenden betroffenen Menschen ein relevantes Chronifizierungsrisiko besteht. Dieses beruht aber nur in den seltensten Fällen auf einer medizinisch behandlungsbedürftigen strukturellen Störung (im Sinne einer sog. spezifischen Problematik), sondern in den weitaus meisten Fällen auf einem – meist aus der Angst heraus es könnte durch körperliche Aktivität etwas schlimmer werden - beschwerdefördernden Fehlverhalten. Hier gilt grundsätzlich: keine Angst vor Bewegung haben, Schmerzen durch Medikamente lindern und unter dieser Linderung aktiv bleiben bzw. allenfalls kurzzeitige Ruhephasen einzulegen. Gerade für die Selbstbehandlung gilt es hier geeignete (sog. isometrische) Eigenübungen zur (postisometrischen) Muskelentspannung zu praktizieren und sich im wahrsten Sinne des Worte „nicht unterkriegen“ zu lassen. Statistisch verschwinden die Beschwerden bei 6 von 10 Patienten binnen einer Woche, bei 9 von binnen eines Monats. In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die vorgenannte Angst vor einer möglicherweise selbstausgelösten Verschlechterung sowie das daraus resultierende Angst-bedingte Vermeidungsverhalten, Stress und letztendlich auch Frustration und Depressivität die häufigsten Risikofaktoren für die Entwicklung chronischer Schmerzverläufe darstellen. Diesem kann – neben einer geeigneten medizinisch-psychologischen Betreuung – auch mit geeigneten (CBD-haltigen) Cannabispräparaten begegnet werden, die nachweislich angstbedingtes Vermeidungs-/Fehlverhalten sowie Stress und Depressivität positiv beeinflussen können und Patienten damit neue Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben und aktive Gegenmaßnahmen im Sinne des sog. Empowerments ermöglichen.
Dr. M. Überall: Aufgrund seiner modulierenden Wirkung birgt Cannabis als Medizin das Potenzial für eine Vielzahl verschiedenster Gesundheitsprobleme: Das gilt insbesondere für Nervenschmerzen (z.B. infolge einer Gürtelrose oder bei Diabetes), Spastik bei MS und Übelkeit/Erbrechen bzw. Appetitlosigkeit durch Chemotherapie oder bei konsumierenden Erkrankungen, aber darüber hinaus auch für Schmerzen bei Gelenkarthrose oder Tumorerkrankungen, entzündliche Darmerkrankungen Tic-Störungen (wie z.B. Tourette), ADHS, Restless-Legs-Syndrom (RLS) und Morbus Parkinson. Die medizinische Anwendung von Cannabis bei Erwachsenen – insbesondere in Form von Fertigarzneimitteln wie zum Beispiel eines Mundsprays – gehört zu den sicheren und meist auch (sehr) gut verträglichen Behandlungsformen (dies vor allem angesichts der beträchtlichen Nebenwirkungsprobleme sonst empfohlener und zugelassener – im konkreten Fall aber wirkungsloser – Alternativen). Von daher kann Cannabis als Medizin eine Perspektive bieten. Bei schwerwiegenden Erkrankungen und nachweislich unzureichendem Ansprechen auf leitlinienempfohlene und zugelassene Therapien übernehmen die Kassen nach einer entsprechenden Antragstellung in aller Regel die mit der ärztlichen Verordnung verbundenen Kosten. Die Deutsche Schmerzliga empfiehlt nach Abwägung aller Vor- und Nachteile eine 1:1-Kombination von THC:CBD als Mittel der ersten Wahl, eine niedrige Anfangsdosis (von 2-2,5mg abends), eine schrittweise Anpassung der Tagesdosis sowie eine bedürfnisorientierte Verteilung über den Tagesverlauf. Erfahrungen aus großangelegten Querschnittanalysen der anonymisierten Angaben von mehreren tausend Betroffenen aus dem deutschen PraxisRegister Schmerz zeigen, dass in den meisten Fällen eine Tagesdosis zwischen 15 und 25 mg THC:CBD binnen vier Wochen (bei guter Verträglichkeit) nicht nur zu einer bedeutsamen Verbesserung führt, sondern in vielen Fällen auch erlaubt unwirksame aber nebenwirkungsreiche Dauertherapien (wie z.B. entzündungshemmende Analgetika oder Opioide) ersatzlos zu beenden oder zumindest in ihrer Dosis deutlich zu reduzieren (was in vielen Fällen mit einer beträchtlichen Verbesserung der Anwendungssicherheit und der Lebensqualität einhergeht).
Heike Lippke: Eine Selbsthilfegruppe ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Menschen, deren Aktivitäten sich auf eine gemeinsame Bewältigung von Krankheiten, Behinderungen, psychischen oder sozialen Problemen oder schwierigen Lebenssituationen richten, von denen sie entweder selber oder als Angehörige betroffen sind.
Heike Lippke: In den Gruppen der Deutschen Schmerzliga e.V. (DSL) treffen sich Menschen (und teilweise auch deren Angehörige) mit dem Krankheitsbild ‚chronische Schmerzen’. Dies können z.B. Rücken-, Kopf- oder Nerven-Schmerzen, Arthrose, Rheuma, Osteoporose, Fibromyalgie sein. Wir unterscheiden nicht nach der Grunderkrankung.
Heike Lippke: In Selbsthilfegruppen (SHG) geht es vor allem darum, in regelmäßigen Treffen die eigenen Erfahrungen und Kenntnisse mit denen anderer Teilnehmer auszutauschen, um die persönliche Lebensqualität zu verbessern. Alle Mitglieder einer Selbsthilfegruppe sind gleichberechtigt, die Mitarbeit ist freiwillig.
Heike Lippke: Grundsätzlich kann jeder eine Selbsthilfegruppe gründen. Der erste Schritt ist die Suche nach Gleichbetroffenen. Dafür können Sie zum Beispiel in Ihrem Bekannten- und Freundeskreis fragen, Informationszettel an Orten aushängen, an denen Betroffene sich möglicherweise aufhalten. Das können Apotheken, Arztpraxen, Gemeindehäuser, Büchereien, Kulturzentren, Beratungsstellen etc. sein. Informieren Sie Ärzte, Therapeuten, Apotheker oder andere Fachleute über Ihren Wunsch, eine Gruppe zu gründen. In vielen Städten gibt es Kontaktstellen, an die sich die Selbsthilfegruppen wenden können. Fragen Sie bei Ihrer Stadt- oder Gemeindeverwaltung nach.
Heike Lippke: Nein! Von Vorteil wäre ein aufgeschlossenes Wesen, ein wenig Organisationstalent und die nötige Zeit regelmäßig an den Gruppentreffen teilzunehmen.
Heike Lippke: Die Gruppenarbeit setzt sich zusammen aus organisatorischen Aspekten, Rahmenbedingungen und gruppendynamischen Aktivitäten. Diskutieren Sie in Ihrer Gruppe, welche Aspekte Sie für eine gute Gruppenarbeit als wichtig erachten und für Ihre Gruppe nutzen wollen. In einer Selbsthilfegruppe bestimmen Sie gemeinsam Ihre Arbeitsweisen.
Heike Lippke: Sie können diese Erfahrungswerte je nach Bedarf der eigenen Gruppe anpassen. Wie viele Teilnehmer? Wie lange? Wie oft? Wo? Tische – Stühle Kaffee- und Zigarettenpausen? Kontaktperson für Interessierte. Telefonliste gemäß Datenschutz ersellen. Schweigepflicht (Das gesprochene Wort bleibt im Raum). Es redet immer nur einer! Ich spreche von mir und nicht von "man" oder "wir". Ich spreche meine Bedürfnisse aus. Störungen haben Vorrang. Ich übernehme die Verantwortung für mich selbst.
Heike Lippke: Der Rahmen einer Gruppensitzung muss von den Mitgliedern erabeitet und von allen getragen wer- den. Unsere Empfehlung: Gespräche über Rahmenbedingungen regelmäßig zu wiederholen. Die Erfahrung zeigt, dass sich gerade die Bedürfnisse nach Strukturen von Zeit zu Zeit verändern. Alle Mitglieder sollten die Ziele der Gruppe gemeinsam formulieren und sich um eine gleichberechtigte Zusammenarbeit bemühen.
Heike Lippke: Am geeignetsten ist ein neutraler Raum. Hier muß keine Gastgeberrolle übernommen werden und Hemmungen, zu fremden Leuten in die Wohnung zu gehen, kommen erst gar nicht auf. Spre chen Sie Ihren Arzt, Apotheker, Verwaltung von Al tenheimen, Gemeindebüro oder Kontaktstelle der Stadt an. Hier lässt sich in den meisten Fällen ein Raum finden. Der Raum sollte gut erreichbar und barrierefrei sein. Die richtige Größe trägt zu einer besseren Atmosphäre bei.
Heike Lippke: Viele Gruppen haben zwischen 6 und 20 Teilnehmer. Die Erfahrung zeigt, dass in der Anfangszeit noch einige Teilnehmer aussteigen, deswegen kann mit einer größeren Teilnehmerzahl begonnen werden. (mindestens 6 Teilnehmer benötigen Sie, um Fördergelder bei den Krankenkassen zu beantragen). Bei einer zu geringen Teilnehmerzahl kann die Angst vor einem Gruppenzerfall entstehen und evtl. fehlt es an Vielfalt. Bei einer zu großen Teilnehmerzahl kann das Gruppengeschehen unüber- sichtlich werden und es wird schwer, eine vertrauensvolle Bindung zwischen den Teilnehmern aufzubauen. Es entsteht keine oder nur eine sehr geringe Atmosphäre. Ist die Gruppe zu klein, können Sie noch weitere Mitglieder werben. Ist die Anzahl der Teilnehmer zu groß, sollte sich die Gruppe teilen.
Heike Lippke: Erfahrungen zeigen, dass in der Anfangsphase die Treffen nicht zu weit auseinander liegen sollten, damit das Kennenlernen gefördert wird, sich Vertrauen zwischen den Teilnehmern aufbauen kann und die Gruppe einen stabilen Zusammenhalt erhält. Möglich sind Treffen von wöchentlich bis zu einmal im Monat. Ein Gruppentreffen sollte zwei Stunden nicht überschreiten, da eine konzentrierte Aufmerksamkeit füreinander danach kaum noch möglich ist.
Heike Lippke: Bei dem Gründungstreffen können Sie schildern, warum Sie eine Gruppe gründen möchten und wie Sie sich eine Zusammenarbeit vorstellen. Alle Teilnehmer sollten ihre Anliegen und Erwartungen, die sie an die Gruppe haben, darstellen, damit sich jeder ein Bild machen kann, ob er in der Gruppe richtig

Ich nehme schon seit längerer Zeit regelmäßig ein bestimmtes Medikament zur Linderung meiner Schmerzen und habe nun von möglichen Lieferengpässen gehört. Wie soll ich mich hier verhalten und was kann ich tun, um zu vermeiden, dass ich die Medikamente, die ich benötige, auch bekomme?

Dr. M. Überall:
Die gute Nachricht ist, dass trotz der zahlreichen Berichte über Probleme mit der Bereitstellung von Medikamenten die Anzahl der echten Lieferengpässe unverändert gering ist. Dennoch gilt auch hier: Vorsorge ist besser als Nachsorge. Aus diesem Grund sollten sie sich rechtzeitig (d.h. aktuell deutlich früher als sonst) um „Nachschub“ und ein entsprechendes Rezept von Ihrem behandelnden Arzt bemühen. In der Apotheke können Sie jederzeit Auskunft über die aktuelle Lieferfähigkeit einzelner Arzneimittel erfragen und – für den Fall der Fälle – einen u.U. notwendig werdenden Präparatewechsel mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen. Gleichzeitig sollten Sie den Lieferengpass an das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM – melden (z.B. via EMail an: lieferengpaesse@bfarm.de).