Opioide (Schmerzmittel mit Morphin-artigen Wirkstoffen) sind ein wichtiger Bestandteil der Schmerztherapie und in der heutigen Schmerztherapie nicht mehr wegzudenken. Sie sind meistens, auch bei einer Langzeittherapie, gut verträglich. Darüber hinaus weisen Opioide in der Regel auch bei einer Anwendung über einen langen Zeitraum keine schädliche Wirkung auf innere Organe, wie Leber oder Nieren, auf. Gerade bei der Behandlung starker Schmerzen haben Opioide heute eine große Bedeutung. Dennoch können Opioid-haltige Schmerzmittel auch unerwünschte Wirkungen entfalten, die Sie als Schmerzpatienten unter Umständen stark beeinträchtigen.
Opioidtherapie -
Schmerztherapie ohne Verstopfung
Verstopfung unter Opioid-Therapie

Die häufigste dieser Nebenwirkungen ist die Verstopfung (medizinisch: Obstipation), ausgelöst durch Opioid-haltige Medikamente. Sie wird auch Opioid-induzierte Obstipation (englisch: Opioid-Induced Constipation, OIC) genannt. Dabei handelt es sich um eine besonders schwere Art der Verstopfung, die extrem unangenehm sein kann. Diese kann unabhängig von der Darreichungsform des Opioids, das Sie erhalten – ob Tablette, Pflaster oder Injektion – vorkommen.
Die Verstopfung tritt normalerweise gleich zu Beginn der Opioid-Therapie auf und hält in der Regel über die gesamte Behandlungsdauer an.
Auf einen Blick: Infografik „Wissen auf einen Blick –
Verstopfung bei Schmerztherapie mit Opioiden“ zum Download
Verstopfung ist die häufigste Nebenwirkung einer Schmerztherapie mit Opioiden
Wie wirken Opioide im Körper?
Um die Wirkweise von Opioiden zu verstehen, ist es wichtig, vorab genauer zu betrachten, wie Schmerzen entstehen und wie der Mensch diese empfindet.
Körpereigene Schmerzdämpfung
Der Schmerz wird erst bewusst wahrgenommen, wenn der Schmerzreiz im Gehirn angekommen ist. Die Schmerzwahrnehmung hat zwar eine wichtige Signalfunktion, die dem Schutz des Körpers dient (z. B. wenn unmittelbar Gefahr droht), sie ist aber nicht zu jedem Zeitpunkt sinnvoll. Daher hat der Körper ein eigenes „Schmerzdämpfungs-System“ entwickelt. Kommt ein Schmerzsignal an einer sogenannten Synapse, einer Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen an, wird das körpereigene Schmerzmittel, der Botenstoff Endorphin, freigesetzt. Dieser passt wie ein Schlüssel auf ein entsprechendes Schloss an der Nervenzelle. Dadurch wird verhindert, dass Botenstoffe ausgeschüttet werden und somit der Schmerz zur nächsten Nervenzelle weiter geleitet wird (siehe Abb. 1). Der Schmerzreiz kommt also nicht im Gehirn an.

Wirkweise von Opioiden
Opioid-haltige Schmerzmedikamente wirken wie die körpereigene Schmerzdämpfung: Die Opioid-Moleküle passen wie ein Schlüssel in das Schloss, das für die Endorphine vorgesehen ist. Dadurch wird verhindert, dass Botenstoffe ausgeschüttet werden und das Schmerzsignal weitergeleitet wird (siehe Abb. 2).

Übelkeit und Verstopfung sind die häufigsten Nebenwirkungen von Opioiden
Wie bei jedem Medikament, das eine Wirkung im Körper erzielt, können auch unter Opioid-haltigen Schmerzmitteln Nebenwirkungen auftreten. Diese machen sich häufig zu Beginn einer Opioid-Therapie bemerkbar, wenn sich der Körper auf den Wirkstoff einstellt. So besetzen Opioide Stellen eines Nervenzellverbandes im Gehirn, die Übelkeit erzeugen und Erbrechen auslösen. Diese unerwünschten Wirkungen bessern sich meist nach kurzer Zeit. Opioide wirken aber nicht nur im zentralen Nervensystem, sondern auch im Nervensystem an anderen Stellen, wie z. B. im Magen-Darm-Trakt. Dort docken die Opioide an Bindungsstellen im Darm an, die die Darmbewegung steuern. Diese werden durch die Opioide blockiert und lähmen, zumindest teilweise, die Darmmuskulatur. Der Weitertransport des Nahrungsbreis im Darm gerät ins Stocken. Zusätzlich wird dem Stuhl durch den Verdauungsprozess im Darm Wasser entzogen. Deshalb trocknet der Stuhl aus und wird hart. Es kommt zur Verstopfung.
Die Ursache einer Verstopfung aufgrund einer Schmerztherapie mit Opioiden
Welche Folgen kann eine Verstopfung haben?
Wenn Sie von einer durch Opioide verursachten Verstopfung betroffen sind, dann kann diese mit Bauchkrämpfen, Schmerzen, Blähungen und Übelkeit einhergehen. Im Extremfall kann dies zu einem Darmverschluss führen. Diese Symptome können Ihre Lebensqualität einschränken, vor allem wenn sie dauerhaft vorliegen. Es gibt Patienten, die deshalb weder ihrer Arbeit nachgehen noch andere Tagesaktivitäten ausüben können. Diese Beeinträchtigungen sowie die körperlichen Beschwerden aufgrund der Verstopfung können so belastend werden, dass einige Patienten ohne Rücksprache mit dem Arzt Ihre Opioid-Dosis reduzieren oder sogar Ihre Opioid-Therapie abbrechen.
Behandlung einer Opioid-verursachten Verstopfung
Eine durch Opioide hervorgerufene Verstopfung kann gut behandelt werden. Neben der medikamentösen Behandlung gibt es verschiedene Maßnahmen, die Sie zusätzlich selbst vornehmen können.
Medikamentöse Behandlung
Gegen die Verstopfung können Sie Medikamente einnehmen. Ein Abführmittel sollte vom behandelten Arzt direkt zu Beginn der Opioid-Therapie verordnet werden. Abführmittel werden in der Medizin auch „Laxantien“ genannt. Sie befördern z. B. mehr Wasser in den Darm, damit der Stuhl weicher wird und so leichter zu transportieren ist.
Abführmittel wirken jedoch nicht an der Ursache der Verstopfung (nähere Informationen finden Sie unter „Wie wirken Opioide im Körper?“ ), so dass Sie möglicherweise trotz Einnahme eines Laxans weiter unter Verstopfung leiden. Generell sollten Sie Ihrem behandelnden Arzt mitteilen, ob eine Verstopfung vorliegt und ob das verordnete Abführmittel gewirkt hat.
Es gibt neuartige Wirkstoffe, die direkt an der Ursache der Verstopfung ansetzen. Sie wirken wie ein „Gegenspieler“ des Opioids am Ort der Entstehung im Darmbereich. Diese Wirkstoffe besetzen die Schlösser im Magen-Darm-Trakt, an denen sonst die Opioide andocken würden. Das Opioid-Molekül kann diese dann nicht mehr besetzen, sodass das Signal für die Darmbewegung ungestört weitergeleitet werden kann.
Die gewünschte Schmerzlinderung durch Opioide darf dabei durch einen derartigen Wirkstoff nicht beeinträchtigt werden, er darf ausschließlich im Darmbereich wirken. Das ist mit neuartigen Medikamenten möglich, weil zwischen den Blutgefäßen und dem Gehirn eine Schutzbarriere (die sogenannte Blut-Hirn-Schranke) besteht. Diese Barriere wirkt wie ein Filter, der nur sehr kleine Moleküle (z. B. Opioide) passieren lässt. Für Bakterien, Viren oder andere Fremdstoffe stellt sie eine nahezu unüberwindliche Grenze dar. Die neuartigen Medikamente basieren auf dem Prinzip, dass sie die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Diese sogenannten „PAMORAs“ (englisch: Peripherally-Acting Mu-Opioid Receptor Antagonists) wirken dem Opioid im Darmbereich entgegen, beeinträchtigen aber die gewünschte Schmerzlinderung im Gehirn nicht.
Therapiemöglichkeiten der Verstopfung aufgrund von Opioiden
Nicht-medikamentöse Maßnahmen
Ergänzend zur medikamentösen Therapie können nicht-medikamentöse Maßnahmen, wie ein individuelles Bewegungsprogramm, ausreichende Flüssigkeitszufuhr sowie eine Ernährungsumstellung Ihnen dabei helfen, die Verstopfung zu mindern.
Sie können dabei selbst aktiv werden und die Therapie durch eine Umstellung Ihrer Lebensführung unterstützen. Folgende Tipps können für Sie möglicherweise nützlich sein:
- Integrieren Sie mehr Bewegung in Ihren Alltag, um die Darmbewegung zu stimulieren. Hierfür sind schon kleine Veränderungen hilfreich, wie z. B. die Treppe statt den Aufzug zu benutzen oder so oft es geht an der frischen Luft spazieren zu gehen.
- Ein individuelles Bewegungsprogramm sollte stets auf Ihren Gesundheitszustand angepasst werden. Ein professionelles Sportstudio kann Ihnen dabei helfen. Im örtlichen Sportverein mit Nachbarn und guten Bekannten macht das Trainieren direkt doppelt so viel Spaß!
- Ausreichend zu trinken, ist selbst für gesunde Menschen manchmal schwer umzusetzen. Ein Tipp könnte sein, immer ein Glas oder eine Flasche Wasser in Griffweite zu stellen. So werden Sie bei jedem Blick darauf an das Trinken erinnert. Auch kann es hilfreich sein, unterwegs immer eine kleine Wasserflasche dabei zu haben.
- Einigen Patienten kann es helfen, mehr Ballaststoffe, wie sie zum Beispiel in Vollkornprodukten, Leinsamen oder Gemüse vorkommen, in die Ernährung zu integrieren. Dabei müssen Sie jedoch wissen, dass die Erhöhung langsam und immer zusammen mit einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr erfolgen sollte. Auch hier können kleine Veränderungen schon wertvoll sein: ein Teelöffel, später ein Esslöffel, Leinsamen in Müsli, Salat oder Suppe kann schon ausreichen.
Ratgeber für eine Schmerztherapie mit Opioiden – Als Ratgeber unterstützt diese Broschüre Patienten und Angehörige in der verträglichen Anwendung von Opioiden.
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